„Genug sie ist für Jünglinge der erste Grad der Liebeskunst und eine angeborne Gabe der Frauen, durch deren Gunst und Huld allein sie jenen mitgeteilt, und angebildet werden kann. Mit den Unglücklichen, die sie nicht kennen, muß man nicht von Liebe reden: denn von Natur ist in dem Manne zwar ein Bedürfnis aber kein Vorgefühl derselben. Der zweite Grad hat schon etwas Mystisches, und könnte leicht vernunftwidrig scheinen wie jedes Ideal. Ein Mann der das innere Verlangen seiner Geliebten nicht ganz füllen und befriedigen kann, versteht es gar nicht zu sein, was er doch ist und sein soll. Er ist eigentlich unvermögend, und kann keine gültige Ehe schließen. Zwar verschwindet auch die höchste endliche Größe vor dem Unendlichen, und durch bloße Kraft läßt sich also das Problem auch bei dem besten Willen nicht auflösen. Aber wer Fantasie hat, kann auch Fantasie mitteilen, und wo die ist, entbehren die Liebenden gern, um zu verschwenden; ihr Weg geht nach Innen, ihr Ziel ist intensive Unendlichkeit, Unzertrennlichkeit ohne Zahl und Maß; und eigentlich brauchen sie nie zu entbehren, weil jener Zauber alles zu ersetzen vermag. Aber still von diesen Geheimnissen! Der dritte und höchste Grad ist das bleibende Gefühl von harmonischer Wärme. Welcher Jüngling das hat, der liebt nicht mehr bloß wie ein Mann, sondern zugleich auch wie ein Weib. In ihm ist die Menschheit vollendet, und er hat den Gipfel des Lebens erstiegen. Denn gewiß ist es, daß Männer von Natur bloß heiß oder kalt sind: zur Wärme müssen sie erst gebildet werden. Aber die Frauen sind von Natur sinnlich und geistig warm und haben Sinn für Wärme jeder Art.“
Schlegel, Dorothea; Schlegel, Friedrich. Lucinde (German Edition) (S.19-20). aristoteles. Kindle-Version.
Der Beginn der Reise
Man darf sich nicht vertun, mit diesen 3 Graden beginnt gerade erst die Reise. Man hat sozusagen die Startvorbereitungen abgeschlossen, um sich von den Göttern „fressen“ zu lassen. Im europäischen Bereich ist die Geschichte von der Geburt des Talesien ein Musterbeispiel:
Der Geschichte zufolge begann Taliesin als Gwion Bach, eine Dienerin der Zauberin Ceridwen. Ceridwen hatte eine wunderschöne Tochter und einen schrecklich hässlichen Sohn namens Avagddu (anders bekannt als Morfran). Ceridwen beschließt, ihrem Sohn zu helfen, indem sie einen Zaubertrank braut, dessen ersten drei Tropfen ihm Weisheit und Inspiration ( awen ) schenken. Der Trank muss ein Jahr und einen Tag lang gekocht werden, also beauftragt Ceridwen einen Blinden namens Morda, das Feuer unter dem Kessel zu pflegen, während Gwion Bach rührt. Der Kessel platzt, als der Trank fertig ist. Drei heiße Tropfen tropfen auf Gwions* Daumen, während sie rührt, und sie steckt ihren Daumen instinktiv in den Mund, wodurch sie sofort Weisheit und Wissen gewinnt. Der Rest des Kesselinhaltes ist ein tötliches Gift. Der erste Gedanke, der ihr in den Sinn kommt, ist, dass Ceridwen sie töten wird, also rennt sie weg.
Bald genug verwickelt Ceridwen Gwion in eine Verwandlungsjagd, bei der sie sich in verschiedene Tiere verwandeln – einen Hasen und einen Windhund, einen Fisch und einen Otter sowie einen Vogel und einen Falken. Erschöpft verwandelt sich Gwion schließlich in ein einzelnes Weizenkorn, aber Ceridwen wird zu einer schwarzen Henne und frisst ihn/sie . Ceridwen wird schwanger und wirft das Kind nach der Geburt in einer Ledertasche ins Meer**. Die Tasche wird von Elffin, dem Sohn von Gwyddno Garanhir, gefunden, der die schöne weiße Braue des Jungen sieht und “ dyma dal iesin “ („das ist eine strahlende Braue“) ausruft. Taliesin, so genannt, beginnt schöne Gedichte zu rezitieren.
Elffin zieht Taliesin als seinen Sohn auf und die beiden werden in mehrere Abenteuer verwickelt. In Anwesenheit von Maelgwn, dem König von Gwynedd, behauptet Elffin, dass seine Frau genauso tugendhaft sei wie die des Königs, und dass Taliesin ein besserer Barde als die des Königs sei. Maelgwn sperrt Elffin ein und schickt seinen ungehobelten Sohn Rhun, um Elffins Frau zu verunreinigen und ihren Ring als Beweis zu stehlen. Taliesin lässt jedoch Elffins Frau durch ein Küchenmädchen ersetzen, wodurch Elffins Anspruch gewahrt wird. Taliesin demütigt dann Maelgwns Barden mit seinem Können und befreit seinen Pflegevater.
In anderen Kulturen / Popkultur
Dieses Bild des „von den Göttern gefressen Werdens“ ist wohl eines der ältesten Bilder in der Geschichte der Menschheit.
Der Anime Mieruko-chan behandelt dieses Gefressen werden aus der Sicht des Shinto (Weg der Götter). In diesem kann ein Mädchen andersweltliche Wesenheiten wahrnehmen. Nach einem Gebet an einem Schrein sagen ihr die Kami, dass sie ihr DREIMAL helfen werden. Dabei beweist sie, dass sie das Ganze uneigennützig nutzt. Nach einem Dankesopfer am Schrein wird Mieruko von dem Fuchsgeist gejagt und gefressen. Sie wacht in ihren Bett auf, geht zur Schule wo ihr die Mitschüler sagen, dass sie verändert erwachsener wirke. Im Abschluss sieht man das Mieruko von den Kami Miko begleitet wird.
Man muss dazu sagen, dass der Shinto auf den koreanischen Schamanismus*** beruht. Von diesem gibt es auch nachgewiesene Verbindungen in den sibirischen Schamanismus.
* Gwyon ist ein Walisischer Mädchenname
** Vergleiche mit Moses im Schilfkorb
*** Ich benutze in diesem Fall Schamanismus als Anthroplogischen Begriff. Schamanismus an sich kommt im Ursprung nur in Sibirien vor, wo der Begriff Schamane Wissende/r bedeutet.